Heimatforschung
in der Oberlausitz

             Ein projekt des lusatia-verbandes e.V..

beiträge zur geschichte der oberlausitz - eine bildungsinitiative

Alles Lausitz oder was? 

Was wissen wir eigentlich über die Geschichte unseres Landes? 

Teil 1                                    

 

PD Dr. phil. habil. Volker Dudeck  |  Zittau               

Wenn uns meine Dresdener Großeltern besuchen wollten, sagten sie ihren Nachbarn: „Wir fahren in die Lausitz“.
Für mich (Jahrgang 1947) war klar: Sie meinten "Oberlausitz". Aber die schien mir nur dort zu sein, wo die Leute das typische „Radl a dr Gurgl hoan“. Dass sie sich vom Zittauer Gebirge und dem Oberlausitzer Bergland im Süden bis zur Schwarzen Elster und dem Muskauer Faltenbogen im Norden und vom Queis/Kwisa im Osten bis zur Pulsnitz im Westen erstreckt, wusste ich noch nicht. Dass Städte wie Rothenburg, Bad Muskau, Hoyerswerda, Weißwasser oder Ruhland auch dazu gehörten und dass ein großer Teil seit 1945 in Polen liegt, auch nicht. Vom Sechsstädtebund hatte ich schon etwas gehört. Kenntnisse über die Oberlausitzer Geschichte? Kaum vorhanden! Wie auch, waren doch die Schulen in der DDR darauf ausgerichtet, Geschichte vor allem als „Geschichte von Klassenkämpfen“ zu lehren.

Bei der Oberlausitz handelt es sich nicht um eine Landschaftsbezeichnung wie zum Beispiel das Erzgebirge, die Sächsische Schweiz oder der Spreewald. Sie ist vielmehr ein altes Grenzland -eine Mark-, die vor mehr als 1000 Jahren als Reichslehen im Ergebnis der mittelalterlichen Ostsiedlung entstand, ähnlich wie auch die Mark Meißen, die Mark Brandenburg oder die Mark Lausitz. Letztere bekam ihren Namen von dem westslawischen Stamm der Lusitzer und bezog sich ursprünglich nur auf das Gebiet der heutigen Niederlausitz. Die Bezeichnung Oberlausitz entstand erst im 15. Jahrhundert. Vorher nannte man das Territorium nach dem hier siedelnden Stamm der Milzener „Milzane“, später nach dem Hauptort „Terra Budissinensis“ (Land Bautzen) und nach der Gründung des Sechsstädtebundes „Hexapolis“ (Sechsstädteland).

"Swo gebure ein nuwe dorf besiczen…“ |  Sachsenspiegel 3. Viertel 14. Jh., Deutsche Fotothek

„Swo gebure ein nuwe dorf besiczen…“

Menschen lebten hier aber schon sehr viel früher. Die weitgehend waldfreie Siedlungskammer zwischen den heutigen Städten Löbau und Kamenz war bereits seit der mittleren Steinzeit besiedelt. In der Bronzezeit bildete sich zwischen 1800 und 500 v.Chr. eine bereits recht hochstehende Kulturstufe heraus, die als „Lausitzer Kultur“ in die Geschichte eingegangen ist. Nach einer rätselhaften Besiedlungspause von mehreren Jahrhunderten wurde das Land für die aus dem Norden eingewanderten Burgunden zur Heimat. Als diese im Zuge der Großen Völkerwanderung weiter nach Westen zogen, kamen von Osten her die oben bereits genannten Milzener in die Ober- und die Lusitzer in die Niederlausitz. Sie gelten als die Vorfahren der heute noch hier lebenden Sorben. Ausgelöst durch den Zusammenbruch des Großmährischen Reiches und die darauf folgenden Einfälle der Ungarn stieß das noch junge deutsche Königreich unter Heinrich I. und Otto den Großen über die Elbe-Saale-Linie vor und schuf neue Grenzländer (Marken). Um diese Gebiete stritten auch die polnischen Herzöge. Die Streitigkeiten wurden 1018 zunächst im Frieden von Bautzen und 1031 endgültig beigelegt.

Kaiser Heinrich II. schließt 1018 mit dem polnischen König Boleslaw I. Chrobry den Frieden zu Bautzen

Kaiser Heinrich II.

Das Markgraftum Oberlausitz war von Anfang an durch eine Besonderheit gekennzeichnet, die landesweit ihresgleichen sucht: Es war immer in Personalunion mit einem Herrscher verbunden, dessen Stammland außerhalb lag und daher ein Land ohne Landesherrn im Lande. Der Markgraf hatte also nicht -wie man annehmen könnte- in Bautzen seinen Sitz, sondern zuerst in Meißen, dann in Prag und Wien, einige Jahrzehnte sogar in Budapest und nach 1635 in Dresden. Seine Vertretung übernahm ein Landvogt, der in der Bautzener Ortenburg residierte. Seine Befugnisse waren jedoch begrenzt. In ihren inneren Angelegenheiten war die Oberlausitz weitgehend autonom.

Mittelfeld der Stuckdecke im Audienzsaal der Ortenburg zu Bautzen
Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen, wird 1635 nebst seinen Söhnen von Kaiser Ferdinand II. mit der Ober- und Niederlausitz belehnt  |  Deutsche Fotothek  |  Foto Oskar Kaubisch, vor 1945

Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen, wird nebst seinen Söhnen von Kaiser Ferdinand II. mit der Ober- und Niederlausitz belehnt.

Und noch etwas macht die Geschichte der Oberlausitz einzigartig. Als die Ritterschaft durch die zunehmende Geldwirtschaft, die Erfindung von Feuerwaffen und Söldnerheere im Niedergang begriffen war und so mancher deshalb zum Raubritter mutierte, wurde die Sicherheit der Handelsstraßen zu einer Voraussetzung für die wirtschaftliche Prosperität des Landes. Das war eine ursächliche Aufgabe des Landesherrn, der aber nicht im Lande war. Der böhmische König und spätere deutsche Kaiser Karl IV. beauftragte deshalb seine sechs Oberlausitzer Städte, den Landfrieden zu sichern.

Kaiser Karl IV.

Kaiser Karl IV. auf dem Votivbild des Prager Erzbischofs Johann Ocko von Wlaschim (um 1370)                                                   Wikipedia / Public Domain 

So entstand am 21. August 1346 der Sechsstädtebund, der aber nicht nur für sichere Straßen sorgte, sondern sich schon bald dem Adel gegenüber emanzipierte. Während dieser anderswo gemeinsam mit der Geistlichkeit die Städte immer überstimmen konnte, war das im Markgraftum Oberlausitz anders. Hier galt eine ganz spezifische Ständeverfassung, in der der Sechsstädtebund paritätisches Stimmrecht besaß. Ohne seine Zustimmung ging nichts. So ist der Sechsstädtebund in mancherlei Hinsicht mit der Hanse vergleichbar. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, weshalb in der Oberlausitz die Reformation ganz anders verlief als anderswo, warum sie sowohl katholischen als auch protestantischen Glaubensflüchtlingen eine neue Heimat bot, zwei Klöster seit ihrer Gründung im 13. Jahrhundert ohne Unterbrechung fortbestehen oder die „Herrnhuter Brüderunität“ entstand.

 

Vieles wäre hier noch anzufügen, was unser Land zu etwas Besonderem macht und worauf wir stolz sein können. Aber dazu braucht es Wissen, bei dessen Vermittlung wir mithelfen und einen Beitrag zum deutsch-polnischen Projekt „1.000 Jahre Oberlausitz“ leisten konnten.

Die Burg Körse in Kirschau wurde 1352 und 1359 vom Sechsstädtebund zerstört

Die Burg Körse in Kirschau wurde 1352 und 1359 vom Sechsstädtebund zerstört

Modell Burgmuseum Kirschau

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