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beiträge zur geschichte der oberlausitz - eine bildungsinitiative

"Welt-Macht-Geist  Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526-1635"
Erinnerungen an eine einzigartige Oberlausitzer Ausstellung

                                         

 

PD Dr. phil. habil. Volker Dudeck  |  Zittau  |  Direktor der Städtischen Museen und Sächsischer Kultursenator i.R.       

In diesem Jahr jährt sich eine der erfolgreichsten Ausstellungen Oberlausitzer Museen zum 20. Male. Unter dem Titel „Welt-Macht-Geist. Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526-1635“ zog sie zwischen Mai und Oktober 2002 mehr als 70.000 Besucher ins Dreiländereck. Ein ganz besonderes Exponat der Städtischen Museen Zittau gab hierzu den Anstoß: Das Diptychon „Kaiser Maximilian I. als Lebender und Toter“. Dieses Doppelbildnis gibt uns viele Rätsel auf. Wie kam das Portrait eines der bedeutendsten Herrschergestalten des Hauses Habsburg nach Zittau? Auf der Inventarkarte steht lediglich der lapidare Vermerk „alter Bestand“. Wer war der Maler? Die Signatur verrät uns nur sein Monogramm „A.A.“. Dieses magisch-mystische Diptychon sollte zum Initialzünder für die Idee der Habsburg-Ausstellung werden.

Wie alles begann

Für den Abend des 28. Oktober 1996, das war ein Montag, lud Rudolf von Sandersleben den Zittauer Oberbürgermeister Jürgen Kloß und mich ins Turmstübchen des Schlosshotels Althörnitz zum Essen ein. Während damals bereits Touristen aus dem Westen in Scharen nach Dresden, Prag und Breslau (Wrocław) strömten, war die innerhalb dieses Städtedreiecks gelegene Oberlausitz noch eine „TERRA INCOCNITA“, ein unbekanntes Land. Etwas zu tun, damit sich das ändert, war der Sinn des Treffens.

Rudolf von Sandersleben hatte mit Interesse verfolgt, wie wir uns um die Restaurierung und Präsentation der beiden Zittauer Fastentücher von 1472 und 1573 mühten. Als Direktor der Städtischen Museen war ich der Leiter dieses Projektes und wusste oft gar nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Und in dieser Situation meinte unser Gastgeber, dass wir uns doch schon mal überlegen sollten, wie wir mit einem ähnlich ambitionierten Vorhaben Anreize schaffen könnten, um die Oberlausitz als Reiseziel attraktiver zu machen.

 

Ich war froh, dass die Diskussion erst einmal auf ein regionales Musikfestival hinauslief, welches sich vielleicht im Dreiländereck unter dem Titel „Dreiklang“ etablieren ließe. Irgendwie kamen wir dann aber auf die Besonderheiten unserer Geschichte zu sprechen. Ich warf ein, dass die Oberlausitz nicht nur – wie von vielen angenommen – eine Landschaft sei wie das Erzgebirge oder die Sächsische Schweiz, sondern ein altes Markgraftum mit einem hohen Maß an politischer Autonomie, das immer noch länger mit Böhmen verbunden war als inzwischen mit Sachsen. Wir waren uns einig, dass sich die jahrhundertelange Blickrichtung nach Süden hier in vielerlei Hinsicht niedergeschlagen hatte – in der Kunst, der Architektur, der Mentalität (leben und leben lassen). Von dieser Überlegung war es nicht mehr weit bis zu der Erkenntnis, dass beide Lausitzen mehr als ein Jahrhundert lang zum Reich der Habsburger gehört hatten und zwar in der Zeit, als sich dieses zu einem weltumspannenden Imperium entwickelte, in dem „die Sonne nie unterging“. Natürlich verwies ich auf unser Diptychon „Kaiser Maximilian I. als Lebender und als Toter“. Und so keimte an dem Abend die Idee einer Ausstellung über das Haus Habsburg und die Oberlausitz. Hätte ich damals geahnt, was sich die Städtischen Museen damit an Arbeit, Problemen und Risiken aufladen, wäre ich wohl davor zurückgeschreckt. So aber war ich erst einmal ziemlich euphorisiert.

Auf Spurensuche

Maximilian I., den man gern „den letzten Ritter“ nennt, gehört zweifellos zu den besonders interessanten Herrschergestalten Europas. Mit einem Bein stand noch im Mittelalter und mit dem anderen schon in der Neuzeit. Er war nicht nur ein Champion der Turnierplätze und stieg als leidenschaftlicher Jäger auf halsbrecherischen Gebirgspfaden Gämsen nach, sondern kann auch als Wegbereiter der modernen Artillerie und der Verwaltung gelten. Vor allem aber war er derjenige, der den Grundstein für den Aufstieg des Hauses Habsburg zu einer Weltmacht legte. Sein Erfolgsrezept war eine überaus geschickte und erfolgreiche Heiratspolitik. Auch wenn das so nie ganz stimmte, wird sie gern mit dem Slogan „Bélla geránt alīī – tu félix Áustria nūbe…“ (Kriege lass andere führen, Du glückliches Österreich heirate…“) umschrieben. Wenige Jahre vor seinem Tod fand 1515 in Wien eine Doppelhochzeit statt. Maximilians Enkeltochter Maria ehelichte Ludwig von Ungarn und Böhmen und sein Enkelsohn Ferdinand dessen Schwester Anna. Durch den tragischen Tod des jungen Königs Ludwig in der Schlacht gegen die Osmanen 1526 bei Mohács fielen den Habsburgern die Königreiche Ungarn und Böhmen zu, wodurch sie auch Markgrafen der beiden Lausitzen wurden. Eine überaus spannende Geschichte, bei der es sich lohnte, tiefer zu graben.

 

Um mir ein detaillierteres Bild zu verschaffen, ging ich gemeinsam mit meiner Frau auf Spurensuche. Bei einer Reise in die Schweiz unternahmen wir einen Abstecher in den Aargau, wo sich in der Nähe von Bad Schinznach auf einem Berg hoch über der Aare die Habsburg (ursprünglich Habichtsburg), das Stammhaus des berühmten Herrschergeschlechts, erhebt. Dort fanden wir einen großen in den Boden eingelassenen Kreis mit der Inschrift: „Ein Reich, in dem die Sonne nie unterging“. Pfeile zeigten Richtung und Entfernung der Länder an, die einmal zu diesem Weltreich gehört hatten. Und da stand auch „Oberlausitz“.

 

In Innsbruck hinterließ Maximilian I. mit dem „Goldenen Dachl“, dem Maximilianeum und dem prachtvollen Kenotaph in der Hofkirche besonders tiefe Spuren. Unweit davon liegt innabwärts das malerische Schloss Tratzberg, das ihm bis 1499 gehört hatte. An einer der getäfelten Wände fanden wir den ihm zugeschriebenen Spruch:

 

„Leb, waiß nit wie lang und stürb, waiß nit wann,

muß faren, waiß nit wohin, mich wunderts, das ich so frölich bin“

 

Schließlich besuchten wir auch die Burg Wels in Oberösterreich, wo er am 12. Januar 1519 auf dem Weg von Innsbruck nach Linz starb. Wir erfuhren, dass man einen „guten Meister“ geholt habe, der ein Bild des toten Kaisers malte. Dieses befände sich im Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum Graz. Die Recherche ergab, dass es dem Totenbild unseres Diptychons fast aufs Haar gleicht und ebenfalls mit dem Monogramm „A.A.“ signiert ist.

Die exzellente Fachfrau mit Haaren auf den Zähnen

Dadurch kamen wir mit Dr. Eva Marko, der Leiterin der kulturhistorischen Sammlungen in Graz, in Kontakt. Die exzellente Kunsthistorikerin und Ausstellungsgestalterin war durch ihre glanzvollen Expositionen „Zwischen Himmel und Erde“ (1996), „Im Hochsommer der Kunst“ (1997) oder „Die Farben Schwarz“ (1999) weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt geworden. Dass es gelang, sie für das Zittauer Projekt zu gewinnen, erwies sich als ein Glücksfall, eine Art Generalschlüssel für dessen Erfolg. Das Credo ihrer Ausstellungen bestand darin, sich nicht am Anspruch der Fachleute zu orientieren, sondern an dem des geschichtsinteressierten Laien. Der Besucher dürfe sich nicht durch viele Texte belehrt fühlen, sondern solle durch das besonders eindrucksvolle und gut ins Licht gesetzte Exponat dazu verführt werden, sich mit Ausstellungsthema zu beschäftigen. Schon in den ersten Gesprächen mit Eva Marko bemerkte ich, mit welch beinharter Konsequenz sie dieses Credo durchzusetzen verstand. Im Klartext: Sie hatte nicht nur Haare auf den Zähnen, sondern Borsten! Auch wenn das manchmal zu Turbulenzen führte, gehört die Zusammenarbeit mit ihr zu den spannendsten und lehrreichsten Abschnitten meines beruflichen Lebens.

 

Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit meiner Stellvertreterin nach Graz düste, um ihr stolz die erste Exponateliste zu präsentieren. Als wir damit ihr Arbeitszimmer betraten staunten wir nicht schlecht, dass da nicht nur Dr. Eva Marko saß, sondern auch vier weitere Damen, die sie uns als Stammbesucher ihrer Ausstellungen vorstellte. Dann forderte sie uns in ihrer charmant-bestimmten Art dazu auf, doch bitte zu erklären, warum wir diese Exponate ausgewählt hatten und was sie vermitteln sollten. Bei dieser „hochnotpeinlichen Befragung“ fiel schon mal eine ganze Reihe durchs Raster. Konsequent beharrte sie darauf, die Anzahl der Exponate so zu beschränken, dass der Besucher nicht mehr als eineinhalb Stunden benötigt, um sich alles in Ruhe anzuschauen und die erklärenden Texte zu lesen.

 

Von Frau Dr. Marko kam auch die Anregung, mit Ausstellungserklärern zu arbeiten. Oft hatte ich die Erfahrung gemacht, dass die traditionellen Führungen durch solche Ausstellungen nicht gerade beglückend sind. Große Gruppen stauen sich an einzelnen Vitrinen, nur wenige haben die Chance, die Objekte wirklich mit Genuss zu betrachten. Häufig drängt schon die nächste Gruppe nach und man hört zwangsläufig auch deren Erklärungen mit. Wir boten stattdessen Einführungen an, in denen die wichtigsten Zusammenhänge zum besseren Verständnis der Ausstellung erläutert wurden. In den Ausstellungsräumen standen dann gut geschulte Ausstellungserklärer bereit, mit denen die Besucher ins Gespräch kommen und die Fragen stellen konnten, die sie interessierten.

 

Wie couragiert Eva Marko in schwierigen Situationen regieren konnte, zeigte sich bei der Ausstellungseröffnung. Ein überaus illustrer Kreis war erschienen: Die Botschafter und Konsuln Österreichs, Tschechiens, Ungarns, Polens und Schwedens, Königliche Hoheiten und habsburgische Erzherzöge, hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die obligatorischen Ansprachen liefen. Auf einmal ertönte nicht allzu laut, aber doch deutlich hörbar das Alarmsignal. Unauffällig verschwand Frau Marko und kurz darauf war wieder Ruhe. Als die Gäste in die Ausstellung strömten nahm sie mich beiseite und berichtete, was geschehen war. In einer Vitrine war ein Glasboden nicht ordentlich verklebt worden, so dass eine kostbare Spieluhr aus dem Grünen Gewölbe in Schieflage geraten war und den Alarm ausgelöst hatte. Beherzt hatte sie dafür gesorgt, die Alarmanlage stumm zu schalten und die Vitrine in Ordnung zu bringen.

Was blieb?

Fragt man nach 20 Jahren, welche Wirkungen die Ausstellung für die Oberlausitz hatte, so brachte das der Geschäftsführer der Ostdeutschen Sparkassenstiftung Friedrich Wilhelm von Rauch wie folgt auf den Punkt:

„...Ihre Ausstellung hat aus meiner Sicht Modellcharakter, wenn es darum geht, eine zu Unrecht immer noch zu wenig bekannte Region in das helle Licht der Öffentlichkeit zu rücken, und zwar sowohl für die eigenen Bürger wie auch deutschlandweit und international. Im Zusammenwirken von Kommunal- und Landespolitik, Wirtschaft und kulturfördernden sowie wirtschaftsnahen Stiftungen ist mit der Habsburg-Ausstellung ein Gemeinschaftsprojekt von hoher Signifikanz entstanden. Es lohnt aus meiner Sicht sehr, die Erfolgsfaktoren noch einmal zusammen zu tragen, damit auch andere Kommunen den Mut finden, ein derartig kühnes Projekt aufzugreifen.“

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