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beiträge zur geschichte der oberlausitz - eine bildungsinitiative

Oberlausitzer Kirchengeschichte

                                         

 

Pfarrer Jörg Michel  |  Görlitz      

Wer aufmerksam durch die Oberlausitz fährt, entdeckt merkwürdige Steinsäulen am Wegesrand. So auf der Strecke Görlitz – Weißenberg oder auf der Linie Weißenberg – Königswartha - Bernsdorf – Ruhland. Zeugnisse längst vergangener Zeiten. Es sind die Spuren der alten sächsisch-preußischen Grenze, die von 1815 bis 1945 Bestand hatte. Manchmal ist noch die Farbe dieser Zwillingssteine erkennbar: weiß-grün = Sachsen / weiß-schwarz = Preußen. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon verlor Sachsen als Mitverlierer über die Hälfte seines Territoriums an Preußen. Nach dem Kriegsende 1945 gab es bei der Neubildung der DDR-Bezirke eine bewusste Abkehr von früheren Grenzverläufen. Nichts sollte an die alte Zeit erinnern. Nach 1990 orientierte sich die Neubildung der Bundesländer wieder an früheren Landesgrenzen. So konnte die Oberlausitz mit ihrer 800-jährigen eigenständigen Geschichte wieder einen Zusammenhang bilden im Freistaat Sachsen (nur die Region Ruhland wechselte nach Brandenburg). Sind also diese Steinsäulen wirklich nur Relikte vergangener Zeiten? Nur wenigen ist bekannt, dass sie noch aktuelle Grenzen markieren - nicht im kommunalpolitischen, aber im kirchlichen Bereich.

Bei der Neuordnung Europas und der Aufteilung der sächsischen Gebiete bei den Verhandlungen in Wien nach 1815 haben kirchliche Strukturen keine Rolle gespielt. Die Evangelische Kirche – nach der Reformation die bestimmende Konfession in Sachsen – hatte in der Oberlausitz keine zentrale Kirchenleitung. Es war die Entscheidung der einzelnen Grundherren, ob eine Pfarrstelle errichtet wird. Sie waren verantwortlich für den Unterhalt eines Pfarrers und seiner Familie (Patronat). So gab es die sprichwörtlichen „reichen Pfründe“ gegenüber manch armen Ausstattung. Nach der Teilung der Oberlausitz wurde im sächsischen Teil bis 1830 eine zentrale Verwaltung entwickelt. Im preußischen Teil ging dies dagegen sehr schnell voran. Das pastorale Personal wurde zentral beaufsichtigt. Lagerbücher wurden eingeführt, in denen die für die kirchlichen Belange gestifteten Ländereien ebenso wie die Abgaben an das Pfarramt in Naturalien oder Arbeitsleistungen notiert wurden. Zahlreiche Feiertage wurden in der preußischen Oberlausitz gestrichen (3. Feiertage bei Weihnachten, Ostern, Pfingsten / Marien-, Johannes-, Michaelisfeste u. a. Aposteltage). Preußen gliederte die Verwaltung in der Oberlausitz an die benachbarte eigene Provinz Schlesien an. Daher war nun das Konsistorium in Breslau zuständig. Die Unterbehörde befand sich in Liegnitz. Die auch im kirchlichen Bereich gebildeten Strukturen orientierten sich an den neu geschaffenen politischen: Lauban, Görlitz I-III, Rothenburg I-II. Die Region Ruhland-Hoyerswerda wechselte erst 1825 von der Provinz Brandenburg zur Provinz Schlesien. Die manchmal willkürliche Teilung der Kirchspiele (der Hauptort mit der Kirche und die zugehörigen Filialdörfer) durch die neue Landesgrenze hatte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts einen ‚kleinen Grenzverkehr‘ zur Folge, bis sich die erzwungene Neuordnung durchsetzte. Die Breslauer Kirchenbehörde beauftragte Superintendent Worbs aus Priebus mit der Visitation der 94 Kirchgemeinden. Mit großem Eifer führte er dies von Juli 1816 bis Februar 1817 durch. Von den 111 Pfarrern wurden 31 als ‚tadelig‘ eingeschätzt, drei wurden gleich suspendiert. Der preußische Zentralismus brachte eine gewisse materielle Gleichberechtigung der Pfarrerschaft. Es wurden Gemeindekirchenräte gebildet, um die Abhängigkeit von den Patronaten zu reduzieren. Aber es hatte auch eine aggressive Bedrückung der sorbischen Minderheit durch Schule und Kirche zur Folge. Für eine effektive Verwaltung war die generelle Kenntnis der deutschen Sprache wichtig. Daher sollte das Sorbische ausgemerzt werden. Mit dem Kriegsende 1945 und dem Verlust des Gebietes östlich der Neiße musste sich auch die kirchliche Verwaltung neu ordnen. Die Oberlausitzer Kirchenkreise ließen sich anfangs von Berlin aus verwalten, bis bei einer Synode im Februar 1947 in der Görlitzer Peterskirche entschieden wurde, dass eine ‚restschlesische Kirche‘ auf dem Gebiet der ehemals preußischen Oberlausitz erhalten bleiben soll. Die erste Bezeichnung „Evang. Kirche von Schlesien“ wurde 1968 abgelöst durch „Evang. Kirche des Görlitzer Kirchengebietes“. Nach der politischen Wende gab es Freiraum für einen neuen Namen. Da viele ehemalige Schlesier in der Oberlausitz eine neue Heimat gefunden hatten und sich aufgrund ihrer zupackenden Frömmigkeit auch in den Kirchengemeinden engagierten, wurde 1992 die neue Bezeichnung „Evang. Kirche der schlesischen Oberlausitz“ beschlossen. 2004 erfolgte die Verbindung mit der benachbarten Kirche Berlin-Brandenburg. Einige aus der Region plädierten eher für eine Verbindung mit der benachbarten sächsischen Landeskirche – und damit für eine Einheit der Oberlausitz auch im kirchlichen Bereich, doch dies fand keine Mehrheit. Nun ist dieses Gebiet ein Kirchenkreis der EKBO und hat den Namen übernommen ‚schlesische Oberlausitz‘.

Die Katholische Kirche war durch die Reformation in Sachsen eine Minderheit geworden. Im Bereich der Oberlausitz sind aber katholische Kerngebiete um die Klöster Marienstern und Marienthal erhalten geblieben. Doch diese waren auch von der Teilung nach 1815 betroffen. Im preußischen Teil unterstellte man sich dem Bistum Breslau. Nach Kriegsende wurde für die Region 1946 ein provisorisches ‚Erzbischöfliches Amt Görlitz‘ gebildet, 1972 umbenannt in „Apostolische Administratur Görlitz“. 1994 wiederum wurde dieses Gebiet mit der Niederlausitz zum Bistum Görlitz erhoben. Aus der schlesischen Tradition stammt die Hl. Hedwig als Patronin. Es ist das kleinste Bistum in Deutschland. Der sächsische Teil der Oberlausitz wurde 1921 dem wiedergegründeten Bistum Dresden-Meißen zugeordnet.

Im kirchlichen Bereich hat sich also die Teilung der Oberlausitz von 1815 bis heute manifestiert. Aber es sind auch die Einflüsse von benachbarten Regionen wie Böhmen und Schlesien erhalten geblieben. Ein gutes Nebeneinander – manchmal auch Miteinander - der beiden Konfessionen bereichert das kulturelle Leben in der Oberlausitz. Und es gibt zaghafte Versuche, sich über diese Grenze hinweg in der Oberlausitz trotzdem im Blick zu behalten. So wurde im evangelischen Bereich 2022 gemeinsam ein ‚Oberlausitz-Kirchentag‘ in Görlitz gefeiert. Eine Fortsetzung folgt hoffentlich … dann in Bautzen?

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