Dr. rer. pol. Hartmut Jentsch | Seifhennersdorf
Wenn in Deutschland heute Minister beim Kohleausstieg, der Wetterbericht der ARD, die Neiße als Grenzfluss, ein Seenland, ein Marathon, eine Zeitung, eine Zukunftswerkstatt, und viele andere den Begriff bzw. den Zusatz "Lausitz" verwenden und Kommunen damit verstärkt für den Tourismus werben, dann darf man doch mal fragen "Wo ist denn die Lausitz und was ist die Lausitz?".
Unstrittig ist, dass der Name auf einen slawischen Stamm zurückgeht, der vor gut 1.000 Jahren insbesondere da siedelte, was wir heute als Spreewald kennen. Im Zuge der deutschen Ostexpansion vom 11. bis ins 13. Jahrhundert entstanden das Markgrafenthum (in der damaligen Schreibweise) Niederlausitz und das Markgrafenthum Oberlausitz, die aber nie vereint waren, auch wenn beide zeitweilig denselben Markgrafen als Herrscher hatten. Wenn man von beiden spricht, dann müsste es die Lausitzen oder die beiden Lausitzen heißen. Klingt aber nicht gut und spricht sich schlecht aus. Deshalb könnte man annehmen, wer heute Lausitz sagt, meint das Territorium der beiden oben genannten Territorialherrschaften, also Niederlausitz und Oberlausitz. Das ist aber mit einem Problem verbunden, das hier nur mit Blick auf die Oberlausitz betrachtet werden soll.
Die Oberlausitz, hervorgegangen aus dem Milzenerland, dem späteren Sechsstädteland, und vom Stadtschreiber von Breslau erstmals mit Bezug auf 1467 als „Obirlusicz“ dokumentiert, verfügte über eine beachtenswerte innere Autonomie, basierend auf einer in Deutschland einzigartigen Ständeverfassung. Diese endete 1815 in der preußischen und 1831 in der sächsischen Oberlausitz. Was blieb ist, dass die Oberlausitz, wie bereits im Teil 1 beschrieben, ein Gebiet zwischen Hoyerswerda und Zittau, Königsbrück und Lauban (heute Lubań in Polen) umfasst. Und es darf doch angenommen werden, dass sich der Kohleausstieg der Bundesregierung, die Wetteransage in der ARD, die Tourismuswerbung und vieles weitere mehr, wo von Lausitz gesprochen wird, nicht auf den Teil der Oberlausitz bezieht, der heute zu Polen gehört. Zugleich ist es eine Illusion, dass der Begriff „Lausitz“ gestrichen werden könnte oder verschwindet. Daraus folgt, wer ihn verwendet, sollte im Kontext verdeutlichen, was er meint und wo.
Für die Region, also für die Niederlausitz und die Oberlausitz, ist anzunehmen, dass angesichts von Klimawandel, Umweltschutz, Kohleausstieg und Sicherung von Arbeitsplätzen der Begriff Lausitz immer bedeutsamer wird. Beiden Teilen auf dem Territorium der Bundesrepublik und vor allem den dort lebenden Menschen steht in absehbarer Zeit ein gewaltiger Umbruch bevor. Hier sind Politik, Wirtschaft und Kultur, ganz Deutschland und die Europäische Union, gefordert. Und wenn es unter dem Begriff Lausitz erfolgt, ist das kein Beinbruch für die Oberlausitzer.
Für die Entwicklung ihrer geliebten Heimat reicht es aber nicht, sie zu besingen. Es bedarf der Einsicht in größere Zusammenhänge, wie zum Beispiel die Folgen der verhängnisvollen Teilung der Oberlausitz 1815 und die Eingliederung eines Teils der Oberlausitz östlich der Neiße in den polnischen Staat 1945. Genauso bedeutsam sind auch die Verbreitung der wechselvollen Geschichte der Oberlausitz sowie der Pflege des Brauchtums und der Sprache dieser wunderbaren Region. Oberlausitz ist eben nicht nur dort, wo ein Dialekt mit rollendem „R“ gesprochen wird, wo es ein Bergland und ein Zittauer Gebirge gibt, sondern auch da, wo es einen bekannten Pfefferkuchenmarkt, eine ausgedehnte Teichlandschaft, berühmte Glasbläsereien und eine Dreifaltigkeitskirche, 1320 erstmals erwähnt, in Lauban, nur 24 Kilometer östlich von Görlitz, gibt.
1815 fällt der größere Teil der Oberlausitz an das Königreich Preußen
Dabei ist auch zu bedenken, dass viele, die heute in der Oberlausitz leben bzw. ihre Vorfahren, nicht aus diesem Raum stammen, sondern zum Beispiel nach 1815 mit der preußischen Verwaltung, 1945 mit der Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, ab 1955 mit dem Aufbau des Energiekombinats „Schwarze Pumpe“ und ab 1963 mit der Ansiedlung der Offiziersschulen der Landstreitkräfte und der Luftstreitkräfte der NVA hierher kamen.