Disputation am 11. Oktober 2021 in Ostritz
Am 11. Oktober 2021 fand im Kloster St. Marienthal in Ostritz eine Disputation zum Thema „Die Oberlausitz und Niederschlesien - und wie weiter?“ statt - eine vielbeachtete Veranstaltung der Fachgruppe Oberlausitzer Landeskunde, Geschichte und Kunstgeschichte des Lusatia-Verbandes e.V..
Die ausgezeichneten Vorträge von Dr. Lars-Arne Dannenberg aus Königsbrück und Magister Emil Mendyk aus Jelenia Góra (PL) gaben eine wissenschaftlich fundierte Darstellung zu den strittigen Fragen des Themas. Die Ausführungen der Landräte des Kreises Görlitz, Bernd Lange, und des Kreises Bautzen, Michael Harig, fanden vielfache Beachtung und boten Ansätze für die Diskussion mit einer Vielzahl von Anfragen und Statements weiterer Diskutanten.
Historische Karte der Oberlausitz Nach Kaemmel, Leipoldt und Taute
Die Wertung der Veranstaltung, die historische Sachlage, die Notwendigkeit von Toleranz und vor allem die Frage „Wie weiter?“ waren Bestandteil des Schlusswortes der Fachgruppe des Lusatia-Verbandes e.V., vorgetragen von Dr. Hartmut Jentsch, das nachfolgend veröffentlicht wird.
Das Schlusswort zur Disputation
Die Disputation hatte das Ziel, Grundkenntnisse zur Geschichte der Oberlausitz und Niederschlesiens zu vermitteln und dabei historisch fragwürdige Darstellungen zu berichtigen, konfrontative Positionen abzubauen und Verständnis für oberlausitzische, schlesische und andere Identitäten in unserer Grenzregion zu entwickeln.
Dieses Ziel wurde weitgehend erreicht und es besteht weitgehende Übereinstimmung, dass radikale Positionen nicht weiterführen und Verständnis dafür entwickelt werden sollte, dass sich der eine als Schlesier und der andere als Oberlausitzer fühlt.
Damit verbindet sich auch der Gedanke – Was vereint die Oberlausitz und Schlesien? Das ist nicht wenig. Beide waren Nebenländer der böhmischen Krone. Beide haben eine wechselvolle Geschichte und schmerzliche Trennungen erfahren, wenn auch mit beträchtlichen Unterschieden
Beide Territorien verloren mehr und mehr an politischer Autonomie und mussten Veränderungen der Landesherrschaft hinnehmen
Zu übersehen ist aber auch nicht, was die Oberlausitz und Niederschlesien trennt
Eingedenk all dessen stellt sich nun die Frage: Worauf stützt sich die Behauptung, es gäbe heute in Sachsen noch ein niederschlesisches Gebiet?
Das sind die Präambel und der Artikel 2 Abs. 4 der Sächsischen Verfassung. Wie kam es dazu? Nachlesen kann das jeder in den Protokollen der Verfassungskommission. In dieser Kommission gab es zu wenige Oberlausitzer mit ausreichenden Kenntnissen der Geschichte der Oberlausitzer und einen Justizminister aus Sachsen und einen Professor aus Baden-Württemberg, deren Kenntnisse der Oberlausitz mehr als dürftig waren. Dazu gesellte sich ein gebürtiger Görlitzer, der sich als Vertreter der Schlesier empfand, denen der Zeitgeist anfangs der 1990iger Jahre gerade einen großen Auftrieb verliehen hatte, weil sie in der DDR 40 Jahre lang in ihrer Identität unterdrückt wurden.
Und so entstand die Mär vom niederschlesischen Gebiet im heutigen Freistaat Sachsen, dem Webfehler in der sächsischen Verfassung vor 29 Jahren.
Damit müssen wir leben. Der Glaube, dass es in absehbarer Zeit eine Zweidrittelmehrheit im Landtag gibt, die das ändert, ist ein Irrglaube.
Dagegen ist die Verbreitung der historischen Wahrheit eine Hoffnung, wenn sie mit Sachargumenten erfolgt, ohne Schaum vor dem Mund und Schluckauf beim Anblick der schlesischen Fahne vor einem Rathaus.
Wie weiter?
Schon die alten Griechen wussten: panta rhei – alles fließt, alles ändert sich.
Und das gilt auch für die Identitätsgefühle der Menschen in der Oberlausitz und in Niederschlesien - sowohl in Bezug auf die vielen im Laufe der Jahre Zugezogenen in der Oberlausitz, die nach 1815 mit der preußischen Verwaltung und preußischen Unternehmen kamen, die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach 1945, diejenigen, die das Kombinat Schwarze Pumpe aufbauten und die, die in den Offiziersschulen der NVA in Löbau, Zittau, Kamenz und Bautzen dienten. Und erst recht für die Menschen in Niederschlesien, von denen die meisten als Vertriebene aus den polnischen Ostgebieten kamen, die hier Jahrzehnte brauchten, um Wurzeln zu schlagen und sich zu Hause zu fühlen. Es ist wichtig, zu wissen, woher wir kommen, um zu erkennen, wohin der Weg in die Zukunft führt. Und das geht nur miteinander.
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